Agenturmodell 2030 – Erfolg neu denken
Lange war Größe gleichbedeutend mit Erfolg. Mehr Mitarbeitende, mehr Standorte, mehr Strukturen. Doch diese Logik bricht weg. Kunden zählen keine Köpfe mehr, sie erwarten Wirkung. Geschwindigkeit. Ergebnisse.
Das Agenturmodell der Zukunft wird nicht mehr daran gemessen, wie viele Menschen es beschäftigt, sondern wie klug es Denken, Technologie und Kreativität miteinander verbindet. Wer weiterhin Stunden verkauft, wird verlieren. Wer Wirkung schafft, gewinnt.
Kim Notz
14. Oktober 2025
Lange Zeit galt in unserer Branche eine einfache Gleichung: je größer eine Agentur, desto erfolgreicher. Mehr Mitarbeitende, mehr Units, mehr internationale Büros – das war die Währung, mit der wir uns gemessen haben. Doch diese Logik hat ausgedient. Kunden interessiert heute nicht mehr, wie viele Menschen in einer Agentur arbeiten. Sie wollen Wirkung. Ergebnisse. Geschwindigkeit.
Letzte Woche habe ich mit Christian Underwood gesprochen, dem Gründer von StrategyFrame, einer fast vollständig automatisierten Strategieberatung. Sein Modell ist radikal: schlank, digital, skalierbar. Er sagt, Headcount sei künftig kein Erfolgsfaktor mehr. Und er hat recht. Seine Beratung liefert Output, für den früher zig Leute gebraucht wurden. Das Ganze basiert auf einem eigenen Softwaremodell und funktioniert bereits mit Kunden aus unserer Branche.
Das ist mehr als ein Impuls. Es ist ein Blick in die Zukunft.
Weg vom Headcount, hin zu mehr Impact.
Wir alle kennen die alte Rhetorik: „Wir sind groß, also sind wir stark.“ Aber Größe ist kein Selbstzweck. Sie macht Prozesse oft langsamer, Strukturen träger, Kostenblöcke schwerer. Kunden zahlen aber nicht für Komplexität, sondern für Wirkung.
Im Jahr 2030 wird niemand mehr fragen: Wie viele Menschen arbeiten bei euch? Sondern: Wie schnell liefert ihr Ergebnisse? Wie stark verbessert ihr mein Geschäft? Wie innovativ seid ihr?
Das klassische Modell „Zeit gegen Geld“ wird unter diesem Druck nicht überleben. Wer nur menschliche Arbeitsstunden verkauft, wird von Tools, Automatisierung und KI überholt. Erfolg wird an Impact gemessen, nicht an Stundenzetteln.
Digitale Hebel für das Geschäftsmodell
Die Zukunft der Agenturen liegt nicht darin, selbst zum Tech-Unternehmen zu werden, sondern darin, digitale Lösungen intelligent in ihre Leistungen zu integrieren. KI-basierte Tools sind keine Add-ons mehr, sondern Verstärker: Sie machen unser Denken schneller, unsere Prozesse klarer und unsere Ergebnisse belastbarer. Entscheidend ist nicht, dass Software zum Kern des Geschäfts wird, sondern dass Technologie Enabler neuer Formen kreativer Wertschöpfung wird, maßgeschneidert auf die Bedürfnisse der Kunden.
Und das ist keine ferne Vision. Einige Agenturen arbeiten längst mit eigenen Anwendungen und Agents, die Agentur- und Kundenteams in ihrer täglichen Arbeit unterstützen. Was früher Zusatz war, wird so Teil eines erweiterten Leistungsportfolios – effizienter, skalierbarer, aber weiterhin kreativ geführt.
Und genau hier entsteht ein neues Gleichgewicht: Service + Product + Platform.
Nicht als Tech-Stack, sondern als neues Zusammenspiel aus Denken, Verdichtung und Verstärkung.
- Service: Unser Kern bleibt strategische Denkkraft, kreative Exzellenz und Business-Verständnis. Hier entsteht Wert.
- Product: Aus diesem Denken werden wiederverwendbare Module – Frameworks und Playbooks –, die Wirkung schneller und präziser machen.
- Platform: Technologie schafft die Infrastruktur, die diese Ideen trägt, verbindet und skaliert. Nicht als Selbstzweck, sondern als Verstärker menschlicher Kreativität.
Diese Entwicklung führt zu einem neuen Verständnis unserer Arbeit. Das ist kein Tech-Stack. Es ist ein Impact-Stack. Er beginnt mit Haltung und endet mit Wirkung.
Die Logik verschiebt sich damit:
- von reiner Dienstleistung zu intelligent vernetzten, hybriden Modellen aus Strategie, Kreativität und Technologie.
- von Projektgeschäft zu kontinuierlicher Zusammenarbeit mit gemeinsamen Erfolgskriterien.
- von Stundenabrechnung zu messbarer Wirkung.
So verändert sich nicht, was wir sind, sondern wie wir arbeiten: Diese Verschiebung ist unbequem, aber unausweichlich. Wer sie ignoriert, bleibt im alten „Agentur verkauft Stunden“-Modell hängen – und dort ist der Kostendruck am größten.
Diese neue Balance zwischen Denken, System und Skalierung verändert nicht nur, wie Agenturen arbeiten, sondern auch, was wir unter Kreativität verstehen.
Kreativität wird vernetzter
Die Debatte „Full-Service vs. Boutique“ ist ein Relikt. Die Zukunft liegt in der Integration. Agenturen werden Ökosysteme sein: modular aufgebaut, mit tiefen Spezialexpertisen, die orchestriert werden – ergänzt durch Plattformen, Tools und KI-Systeme. Die Kunst besteht nicht darin, alles selbst zu können. Sondern darin, das Beste zu integrieren.
Doch Integration bedeutet auch Vielfalt im kreativen Denken. Zu oft sind wir, oder unsere Kunden, schon im Briefing auf konkrete Formate festgelegt, bevor die Idee überhaupt steht. Dabei beginnt echte Kreativität mit Ergebnisoffenheit: mit der Freiheit, nicht zu wissen, ob die beste Lösung eine Kampagne, ein PR-Stunt, ein immersives Erlebnis, eine Brand Partnership oder eine Produktinnovation ist. Teil der Kreation ist es, genau diesen Weg erst zu entdecken.
Kreativität 2030 braucht also nicht nur neue Technologien, sondern auch mehr Diversität im kreativen Produkt und die Fähigkeit, die richtigen Punkte miteinander zu verbinden. „Connecting the dots“ wird zu einer zentralen Kompetenz, über Gewerke, Disziplinen und Partner hinweg. Denn Wirkung entsteht nicht mehr durch einzelne Disziplinen, sondern durch intelligente Verknüpfung.
Das Agenturmodell 2030 ist damit weniger ein monolithisches Konstrukt, sondern ein lebendiges Kollektiv: aus internen Crafts, externen Partnern und Experten plus Softwareprodukten. Entscheidend dabei ist, wie intelligent und agil es zusammenwirkt.
Neue Erwartungen der Kunden
Kunden verändern sich genauso wie wir. Sie wollen keine PowerPoint-Schlachten mehr, keine endlosen Meetings, keine undurchsichtigen Abrechnungsmodelle. Sie erwarten:
- Strategische Beratung: tiefe Kenntnis des Business und Fokus auf Impact.
- Agilität und Flexibilität: leichtgewichtige Prozesse, die flexibel und pragmatisch auf Veränderungen reagieren.
- Effizienz: Ergebnisse sollen schneller auf Basis valider Daten entstehen.
- Individualisierung: Automatisierung darf nicht in Einheitslösungen münden.
- Transparenz: Klarheit darüber, welche Leistungen von Menschen, Tools oder KI stammen.
Aber: Technologie allein wird das nicht lösen. Vertrauen, persönliche Beziehungen und tiefes Verständnis für das Kundenbusiness werden wichtiger, nicht unwichtiger.
Denn wo KI Prozesse beschleunigt, braucht es Menschen, die Sinn stiften, Entscheidungen einordnen und Beziehungen gestalten. Die besten Agenturen 2030 werden diejenigen sein, die digitale Geschäftsmodelle und menschliche Nähe zusammenbringen – also Technologie klug nutzen, um Empathie, Strategie und Vertrauen zu verstärken, nicht zu ersetzen.
Das bedeutet: Agenturen müssen sich neu erfinden, nicht nur als kreative Partner, sondern als Gestalter neuer Verbindungen zwischen Strategie, Technologie und Haltung.
Führung neu gedacht
Mit diesem Wandel verändert sich auch Führung. Teams werden kleiner, flexibler, oft interdisziplinär und international. KI wird nicht nur zum Assistenten, sondern zum Teil des Teams.
Das verlangt von Führungskräften:
- Orchestrierung statt Micromanagement.
- Produktdenken statt Projektdenken.
- Experimentierfreude statt Kontrollwut.
Die Aufgabe von Leadership wird sein, Sinn zu stiften. Denn je stärker Technologie die Arbeit übernimmt, desto wichtiger wird die Frage: Wofür stehen wir eigentlich als Agentur? Haltung und Werte sind nicht mehr nur „Employer Branding“, sondern entscheidend für Kultur, Attraktivität und letztlich für den Marktwert.
Von der Agentur zum Wertschöpfungs-Ökosystem
Die Agentur 2030 ist ein vitales Wertschöpfungs-Ökosystem. Beratung, Kreativität und Technologie werden so miteinander verbunden, dass sie skalierbar und resilient sind.
Das bedeutet:
- Wir müssen neue Geschäftsmodelle erfinden, nicht nur bestehende optimieren.
- Wir müssen eigene Produkte denken.
- Und wir müssen den Mut haben, junge Gründerinnen und Gründer mit innovativen Ideen in unser Denken zu integrieren. Denn die Zukunft entsteht oft nicht in den etablierten Strukturen, sondern in den Köpfen derer, die noch nichts zu verlieren haben.
Die Agenturen, die diesen Schritt gehen, sichern sich eine Zukunft. Die, die am alten Headcount-Denken festhalten, werden irrelevant.
Und jetzt?
Das Agenturmodell 2030 stellt uns vor eine einfache, aber unbequeme Entscheidung: Wollen wir Dienstleister bleiben, die nach Stunden bezahlt werden? Oder wollen wir Mitgestalter mit echtem Impact sein?
Der vermeintliche Vorteil der Größe verkehrt sich angesichts dessen schnell zur Legacy, die den Wandel hemmt. Wendige, unabhängige Systeme sind da im Vorteil, weil sie den Veränderungen offen gegenüberstehen können.
Erfolg wird in Zukunft nicht an Größe gemessen, sondern an Wirkung. Die Zukunft gehört nicht den größten Agenturen. Sondern den klügsten.